Secret Escapes... Romania!

"Ihr wisst schon, dass ihr mit dem 'Handgepäck' hier nicht durchkommt?!" die beiden Check-In Verwaltungsbeamten schauten abwechselnd ungläubig auf uns und das Gepäckstück. "Aber es sind doch nur 8 Kilo, genau wie im Internet beschrieben." entgegneten wir. "Das mag vielleicht sein", er schien uns das nicht abkaufen zu wollen, "aber die Maße des Gepäckstücks stimmen bei Weitem nicht mit dem der Norm überein!" "Ach was, in good Old Germany haben die uns das doch auch durchgehen lassen!" Besser noch, man hätte sich sogar bedankt, dass wir nachgefragt hatten. "Hier nicht!" Und er wies abermals auf ein Metallgestell, welches als Formreferenz für Handgepäckstücke dienen sollte. Wir machten erst gar keine Anstalten unsere Koffer in die Nähe zu bringen, konnte man bereits aus 10 Meter Entfernung erkennen, dass unsere Gepäckstücke nicht mal zur Hälfte hineinpassen würden.

30 Euronen Aufschlag je Gepäckstück kostete uns der Spaß! "Nie wieder fliege ich nur mit Handgepäck! Das ist ja wohl die Höhe!" Wutentbrannt ließen wir auch die 5, zuvor am Markt erworbenen, Peperoni in Michis Besitz, befürchteten wir auch diese entwendet zu bekommen. Frank-Ludwig nannte sich unser Pilot bis München, den wir am liebsten noch mal im Vier-Augen-Gespräch über die Gepäckpolitik der Lufthansa konsultiert hätten. Doch nachdem wir beide gut saßen und ein Salami-Käse-Schnittchen gereicht bekommen hatten, beruhigten sich die Gemüter und wir ließen uns zurück in heimische Gefilde fliegen.

Am letzten Tag in Sibiu glühte noch einmal die Kreditkarte, die uns Michi gedankenlos am Morgen überreicht hatte, als er zur Arbeit fuhr. Das ein oder andere Kleidungsstück ging über die Theke und Valentina wagte sich zudem an rumänischer Schuhmode, welche um keinen Absatz verlegen ist. Zu Mittag kehrten wir ins "Kulinarium" ein, dass mit internationaler Küche (Schafskäsesalat, Penne de Mare und Pananas) zu überzeugen wusste. Der Verdauungsspaziergang führte uns entlang der kontrastreichen Straßen Rumäniens. Verwinkelte bunte Gässchen, schäbige Außenfassaden, prunkvolle Kirchen, bettelnde Zigeuner, Marktreiben mit frischer Gemüsevielfalt direkt vom Land, leerstehende verrostete Fabrikhallen, historische und gut erhaltene Bauwerke.

Ein Besuch in Rumänien lohnt sich, wenn man gutes und vor allem frisches Essen favorisiert, interessiert an Geschichte ist, Outdoorsport liebt und dem Massentourismus aus dem Weg gehen möchte. Das Land, bzw. die Gegend um Sibiu herum, scheint noch in den Kinderschuhen eines Reisemekkas zu stecken, doch eben das macht es so attraktiv. In Zeiten von Nachhaltigkeit, Bio-Bewegung und authentischem Reisen, könnte Rumänien schon sehr bald Profit schlagen und sich in der Tourismusbranche etablieren. Bis dahin darf es aber gerne noch ein Geheimtipp bleiben, findet man doch nicht alle Tage einen Flughafen mit lediglich 3 Gates und einer Autobahn, die wegen gähnender Leere sogar von Kutschen befahren wird.




Gehackt mit das Hackbeil

written by Valentina & Juli

Wenn man dem "Sohn des Teufels" begegnen möchte, so reise man nach Schäßburg, eine Stadt rund 90 Kilometer nordöstlich von Sibiu. Neben dem UNESCO-Weltkulturerbestatus, wird dieser Ort auch als mögliche Geburtsstätte Draculas gehandelt, was diese Stadt unter Umständen zu ein wenig Bekanntheit gebracht hat. Auffällig viele, in Metal-Hoodie gekleidete und mit tiefschwarzen Kajal untermalte, Jungtouristen begegneten uns, als wir die mystischen Stätte erkundeten. Ein alter, moosbedeckter Friedhof, schlecht erhaltene Gräber und aufsteigender weißgrauer Rauch einer dezent lodernden Feuerstelle boten sich vor uns, als wir das Ende von weiteren 35 Holztreppenstufen erreichten. Bemerkenswert viele urdeutsche Namen waren auf den Grabsteinen zu lesen (z.b. Karl Knall), die offensichtlich aus der Zeit der Siebenbürger Sachsen stammten. Graf Dracula himself begegnete uns jedoch nur in Form von billig produziertem Merchandise, welcher sich Stand and Stand reihte. "Wo isser denn nun?" wollten wir wissen, hatten wir schon kein Glück die hiesigen kirchlichen Gebäude und Türme von Innen zu begutachten, da diese scheinbar wegen Reichtums geschlossen hatten. Auf einer Plaza im historischen Ortskern, entdeckten wir dann endlich das sagenumwobene Geburtsthaus Draculas.

Über ein verwinkeltes Treppenhaus betraten wir das altertümliche Gebäude, welches sich als Gaststätte entpuppte. Neben dem Tresen entdeckten wir einen schmalen Treppenaufgang und einen Pfeil der uns den Weg in Richtung "Camera Dracula" wies. Aha! Hier nun sollte er also zu finden sein. Für stolze 20 Lei gewährte uns ein in die Jahre gekommener Rumäne (sichtlich gelangweilt von seinem Job als Türsteher) Einlass. Wir erklommen den steilen Aufgang dessen Wände mit pseudo-Halloween Accessoires geschmückt war.

"Horch!", Schaurige Klänge erreichten unsere Ohren und wir betraten voller Staunen die dunkle und mystische Kammer. Der Atem stockte und das Blut in unseren Adern drohte zu gefrieren, voller Erwartung dessen was uns bevorstand...

-1, 2, 3, ...-

"Was soll denn das hier sein?!" Etwas ungläubig schauten wir uns an und der ein oder andere Lacher huschte über die verdutzten Mienen. Der vermeintlich schaurige Ort entpuppte sich als total Reinfall. Ein alter CD-Player dudelte in Dauerschleife ein und das selbe Lied, die Wände und Decken waren mit schwarz-roten billig Stoffbahnen verkleidet, was den Raum zwar dunkel, aber völlig schäbig aussehen lies. In der Mitte ein halb geöffneter Sarg mit Hut und Bibel bestückt. Auch im zweiten Raum kein aufwändiges Arrangement, lediglich ein Tisch mit Stühlen, ein paar Kommoden in der Ecke und zwei Büsten des ursprünglichen Hausbewohners (Draco).... Alles so ein bisschen auf antik gemacht.

Entrüstet verließen wir das Dracula Kabuff! Was ein Reinfall! Um euch gänzliche Illusion von Dracula zu nehmen: Er heißt gar nicht mal so. Noch nicht mal Graf durfte er sich schimpfen. Ein einfallsloses Vlad III. Und Menschen hat er auch nicht verspeist, sondern brutal gepfählt. Tausende gepfählte Opfer zierten seinen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich. Die Türken konnte er nämlich gar nicht leiden, hatte ihn sein Vater (Vlad II.) zur Jugendzeit als Pfand - für was auch immer - einige Zeit in Osmanische Gefangenschaft abliefern müssen. Vermutlich traumatisierte ihn dieser Aufenthalt so immens, dass er während seiner Regierungs- und Schlachtfeldzeit nur Schutt, Asche und Brutalität seinem Land Rumänien hinterließ.

Nachdem wir den Rest der Schässburg erkundet hatten und es zu regnen begonnen hatte, setzten wir zur Rückfahrt an. Nach einer ruckeligen Fahrt durchs Hinterland kamen wir in Sibiu an und fielen im Restaurant "Hermania" ein. Die Spannung des Tages verlangte nach einer adäquaten Mahlzeit: Rinderfilet vom hiesigen Angus-Rindertier. Zuvor gab es deliziöses Tartar aus der Forelle gehackt (mit das Hackbeil) und zum krönenden Abschluss ein Stück Quetschekuche. Im Anschluss an die üppige Abendspeise ließen wir den Abend beim Kartenspiel, unterlegt mit sanften 20er Jahre Klängen und  gepflegtem Scotch aus Michaels Privatvorrat, ausklingen.




Heute ein König...

"Na, das ist ja mal ein Ausblick, den ich nicht beherrschen wollte! Da muss dem König doch jeden Morgen die Laune an seinem Königreich vergangen sein." Wir blickten von dem Verteidigungsturm im 360° Panoramamodus auf die verkommene, Fabrikruinenlastige Gegend, welche sich vor uns und der Burg erstreckte. Am späten Vormittag hatten wir uns nach Hunedoara aufgemacht um das hiesige historische Felsobjekt zu begutachten. Beeindruckend, dramatisch und gut erhalten präsentierte sich vor uns die Burganlage "Corvinus", welche ansehnliche Gemächer, aber auch sagenumwobene Schauergeschichten beinhaltete. Ein 28 Meter tiefer Brunnen, von 3 gefangenen Türken gegraben, mit dem Versprechen auf Freiheit, wenn sie Wasser fünden. Und der Inschrift eines Insassen "Ihr habt vielleicht Wasser, aber keine Gefühle.", nachdem das Versprechen nach 15 Jahren Gegrabe nicht gehalten wurde.

Auch Gefängnis und Folterkammer ließen verstörende Bilder im Gedächtnis. Stichwort "Pfählung", eine grausame und qualvolle Hinrichtungsmethode, bei der sich der Pfahl langsam durch den ganzen Körper bohrt. Alternativ könnte man noch in eine Bärengrube geworfen werden. Wie gut, dass solche Vorgänge längst Geschichte sind und Menschen aus der Neuzeit solch grausame Methoden niemals mehr anwenden würden.

Um den Tag zu retten und nicht solche Horrorszenen im Kopf zu behalten, reisten wir weiter in die Stadt "Alba Iulia". Das schon fast perfektionistische Stadtbild, welches von der siebeneckigen, sternförmigen Festung geprägt ist und dessen Muster und Geradlinigkeit sich durch alle Anlagen und Bauten zieht, erwies sich als absoluter Gegenkontrast zu dem was wir zuvor gesehen hatten. Viele Kirchen, Torbauten und gepflegte Parkanlagen zeigten ein durch und durch stimmiges Gesamtbild, welches zu späterer Abendstunde durch die Klänge eines kirchlichen Männerchores unterlegt wurde.

"Da bleibt einem ja der Gurktaler im Hals stecken!" schrieen wir auf, als wir uns entlang des Sternambientes der Burgmauer näherten und über die Zugbrücke in das "Pub 13" einkehrten. Wir fühlten uns zurück versetzt in mittelalterliche Zeiten und nahmen an der Tafelrunde Platz. Ein ritterlicher Gaumenschmaus vom Allerfeinsten wurde serviert. Deftige Wurst,- Käse,- Gurkenplatte als Vorspeise, Bohnenspecksuppe im Brotmantel, sowie gebratenes Gemüse und Hühnchen zum Hauptgang und "Papanas" (eine Art Quarkknödel) als Desert. Besser hätte es König Arthur nicht haben können!

Um uns diesmal nicht ganz leger in der Clubszene präsentieren zu müssen, forderten Valentina und ich noch einen Besuch bei H&M ein. In einem 30-Minuten Sprint, spurteten wir durch Abendgarderobe, Schmuckabteil und Ankleideräumlichkeiten um dem weiteren Abendgeschehen gerecht zu werden. "Ursus Cotton Pub" wurde zu später Stunde place-to-be, welcher mit Beats von Elektronik bis Hip Hop seine Gäste zu unterhalten wusste. Mit deliziösem cuba libre tanzten wir in die Nacht und ließen die Ereignisse des Tages Revue passieren, bis die Müdigkeit ihren Platz einforderte und wir erschöpft in unsere Federbetten und einen tiefen Schlaf fielen.






Hier gibt es nichts zu sehen!

In Rumänien lässt es sich gut feiern. Diese Erkenntnis erlangten wir am Freitag Abend, als wir über einen Hinterhof den Edelclub "Vintage" betraten. Zuvor hatte uns ein Taxi für preisgünstige 1,50 € zu dieser Lokalität kutschiert. Die Garderobe wurde ohne Wimperzucken for-free gewährt und von der Getränkepreisqualität zum Nulltarif will ich gar nicht erst anfangen. Mit Erstaunen mussten wir feststellen, dass das äußere Erscheinungsbild der Clubinsassen dem Frankfurter Clubleben in nichts nachzustehen hat. Hingegen ließ sich unsere  Garderobe bestenfalls als 'casual' bezeichnen, wurden wir dem Dresscode nur mäßig gerecht. Doch der Ausgehmodus hätte um ein Haar gar nicht aktiviert werden können, hatte man uns bereits am Frankfurter Flughafen um sämtlich Beauty-Utensilien erleichtert. Schon fast zum Standardprogramm gehört die prophylaktische Sprengstoffuntersuchung an meinen Gepäckstück, die ich mittlerweile nur noch lächelnd über mich ergehen lasse. Auf die Frage "Haben Sie vor ein Flugzeug zu entführen?" antworte ich grinsend "Hatte ich eigentlich nicht geplant." "Sie sollten jetzt schon ehrlich antworten." mahnte der Polizist trocken an, wodurch mir der Ernst der Lage noch mal ins Gewissen gerufen wurde. "Nein." Und mit dieser Antwort wurde ich in Richtung Freiheit entlassen. Jedoch ohne diverse Haarpflegeprodukte, die sichergestellt wurden.

Für Valentina war es der erste Flug überhaupt, wodurch die Anspannung und Vorfreude für den 30 Minuten Flug nach München noch einmal eine ganz andere Dimension erlangte.

Valentina schreibt...

"Ach, wir fliegen Holzklasse?!" stellte ich scherzhaft fest, als Juli und ich den Flieger betraten. Nunja für den ersten Flug muss das "feeling" ja auch stimmen und da sitzt es sich am besten auf den "lower class" Plätzen. Da war dann auch die unsanfte Landung unseres Bruchpiloten Franz besonders intensiv und jede Flugbewegung wurde adäquat mit einem "hui" kommentiert. In München angekommen bestiegen wir dann Flieger Nummer zwei, eine kleine "Baby"-Maschine. Hier erwartete uns ein kulinarisches Verwöhnprogramm mit Salami-Käse-Schnittchen und einem guten, feinperligen Tropfen.

Mit den Worten "ja sind wir denn schon da" bemerkten wir - die Flugkapitänin hatte bereits den Landeanflug eingeleitet - dass die Rumänen den Deutschen um eine Stunde voraus sind.

Juli schreibt...

Michael holte uns an dem überschaubaren Flughafengelände in Sibiu ab und chauffierte uns über gut asphaltierte bis Bodenwellen behaftete Straßen zu seiner Wohnung, die innen- wie außentechnisch in Gänze überzeugte. Nachdem wir uns akklimatisiert und mit den großzügigen Schlafgemächern bekannt gemacht hatten, zogen wir gegen 19:30 Uhr Richtung Innenstadt. Auf dem Weg dorthin begutachteten wir ein Stadtbild, das sowohl künstlerische Villen als auch einfache Häuser aus den 60ern darbot. Immer wieder Hundegebäll, beherbergt hier doch jedes zweite Anwesen einen Wächter im Garten. Die gut erhaltene und historische Innenstadt überzeugte uns mit einladenden Bänken, einer großen Plaza und viel Idylle. Sodann kehrten wir mit hungrigem Magen in das gut bürgerliche Restaurant "Crama Sibiul Vechi" ein, welches rumänische Spezialitäten und in Trachten gekleidete Kellner bot. Ein musikalisches Duo untermalte mit Folkloreklängen den Abend und komplettierte das Kellermauer-Ambiente in dem wir uns befanden. Ich wählte an diesem Abend ein Gericht bestehend aus gebratenem Schweinefleisch und Maisbrei, während sich Valentina einer gesunden Gemüserindfleischsuppe hingab. Als Magenschließer offerierte man uns einen Birnenschnaps - 5cl, denn mehr ist mehr! Beschwingt flanierten wir durch das historische Stadtbild und kehrten zum Abschluss des Abends in die Emperium-Bar ein. Auch diese überzeugte mit ihrem Vintage Ambiente und hervorragender Playlist auf ganzer Linie. Sibiu kann was!

Am nächsten Morgen erkundeten Valentina und ich die Stadt bei Tag, stellten neue Treppenrekorde auf (als wir den Stadtturm erklommen), versuchten uns an der rumänischen Kringelspezialität "Covrig", begutachteten die "Reduzieri" Angebote der Shoppingmeile und kehrten in einem 30er Jahre Café namens "Moustache" ein. Hier schrie es von Mobiliar bis Geschirr "nur Schnurrbärte sind das einzig wirkliche Herren-Accessoire" und einige wichtige Schnurrbartträger der Geschichtsschreibung schmückten die Wände und Tische.

Zur Mittagszeit kehrte Michi von der Arbeit zurück um uns für einen Trip in die Südkarpaten einzusammeln. Die Strecke erwies sich als kurvenreich und Steinschlag gefährdet, jedoch erreichten wir die Höhe von 1000 Metern ganz unversehrt. Von dort sollte es nun mit der Gondel hoch auf 2000 Meter gehen, wo uns ein atemberaubender Ausblick erwarten sollte. Doch es kam alles anders. Die Gondel, ein schon in die Jahre gekommenes und mit Coca Cola Reklame verziertes Gefährt, wackelte zunächst auf die Station am Fuße des Berges und UNS zu. 

Valentina schreibt...

Eher widerwillig und nur nach Michaels Ausruf "Das ist wunderbarer Maschinenbau!" betraten wir das ...Ding. Die Fahrt dauerte 10 Minuten, leider äußerst unspektakulär, denn nach 1/3 der Strecke sah man sich dem Himmelstore gegenüberstehen. Naja nicht ganz, aber dichter Nebel verwehrte sämtliche Chance auf eine atemberaubende Aussicht. Oben angekommen wateten wir durch 50cm tiefen Schnee (teils in Sportschuhen) und gingen in die hiesige Berglokalität, um eine heiße Gemüsesuppe zu verspeisen.

Juli schreibt...

Mit viel Glück konnten wir die Gondelstation für die Rückfahrt in dem vielen Weiß wieder entdecken, die man erst aus 5 Meter Nähe erst so richtig erblicken konnte. Weitere Zeitfenster vergingen bis wir uns halb erfroren in der Talstation einfanden, die nicht mal eine warmen Kaffee offerieren konnte. "Nichts wie weg hier!" Und so schepperten wir den Berg wieder hinunter um dann von Michi in noch ein viel verlasseneres Gelände kutschiert zu werden. Wir standen schon kurz vor der einzigen Erkenntnis nun tatsächlich in der Wallachei gelandet zu sein, da auch die Navigation sich völlig verloren hatte und sich irgendwo abseits von Straßeninfrastruktur befand, da tauchte fast ganz aus dem Nichts eine riesige Forellenfarm vor uns auf. Mit zitternden Händen (Heizungen schien es nicht zu geben) orderten wir zunächst einen wärmenden Tee mit Honig und wurden anschließend mit einem Forellenfilet, das seines gleichen sucht, beschert. Was ein authentisches Biogourmertmahl. So muss also echter Fisch schmecken!

Mit vollen Mägen begaben wir uns auf die Heimreise. Der Dackelschäferhund "Willy" erwartete uns schon freudig am Zaun des Nachbarsgarten und tollte aufgeregt hin und her. Todmüde und mit der Health-App-Anzeige: "Sie haben ihren persönlichen Treppenaufstiegsrekord hergestellt!" fielen wir auf die Couch. "Gehen wir jetzt gleich echt noch aus?" schauten wir drei uns fragend an. Aber wat muss, das muss!





History reloaded

"Rumänien? Das liegt doch irgendwo in der Wallachei?!" Nicht ganz, wie wir feststellen mussten, als Valentina und ich unsere Reise in osteuropäische Gefilde antraten. Es verhält sich eigentlich genau anders herum. Die Wallachei liegt tatsächlich in Rumänien und kann neben den angrenzenden Regionen Moldau und Siebenbürgen lokalisiert werden. "Und was wollt ihr dort?" Diese Frage hätte man vielleicht bereits den im Jahre 1147 auswandernden deutschen Siedlern (oh, am Ende waren das Flüchtlinge!?) stellen müssen, die ab diesem Zeitpunkt Rumänien im weitesten Sinne zu bevölkern begannen. Siebenbürgen, im rumänischen auch als Transsilvanien bekannt, wurde zum place-to-be der Siebenbürgischen Sachsen (waren aber gar keine Sachsen, sondern Leute aus Köln und vom Westerwald). Während dieser Ära gründeten die deutschen Siedler, die der Legende zufolge zwecks Seuchen und Hungersnot ihr Heimatland verließen, viele Städte und Ortschaften in Rumänien. Die größte und bekannteste dieser Siedlungen nennt sich Hermannstadt (Sibiu) und durfte sich 2007 'Kulturhauptstadt Europas' nennen. Bravo! 

Genau in dieser Stadt, die übrigens Partnerort Marburgs ist, befinden wir uns aktuell und werden von unserem hier derzeit lebenden Cousin und Bruder beherbergt. Sibiu ist westlich angehaucht, von 'dm' bis 'Zara' ist alles vertreten, jedoch historisch geprägt. Es vermittelt durch alte Gemäuer, unzählige Kirchen und Befestigungsanlagen ein stimmiges und kulturell wertvolles Stadtbild. Nur von den ehemals eingewanderten Siebenbürgischen Sachsen ist kaum noch jemand übrig geblieben. Neben Gründen wie der Flucht nach dem zweiten Weltkrieg und der Massenauswanderung nach der Rumänischen Revolution '89, schreibt ein deutscher Reisender folgendes:

"Die Sachsen beklagen sich oft seufzend, daß ihre Dörfer aussterben, daß ihre Häuser leer stehen und sich Rumänen hineinsetzen. ‚Können wir dafür’, erwidern die Rumänen, haben wir die Sachsen todtgeschlagen, thun wir ihnen ein Leid an? Gewiß nicht, sie selbst sind Schuld, wenn sie verschwinden und keine Nachkommen hinterlassen."