Von Bunker zur Bunker.

Wenn Glamour und Armut nur eine Fußspitze voneinander entfernt sind, wenn sich vergoldeter Kapitalismus und verrosteter Sozialismus die Hand geben und wenn Adidas und Gucci auf staubig, holprigen und verdreckten Straßen spazieren gehen, kannst du dir ganz sicher sein, dass du dich in Albanien befindest. Der Kontrast zwischen allem was man sich vorstellen kann, hat hier ein Zuhause. 


Durrës - eigentlich nicht viel mehr als ein Ghetto. Doch dann taucht man am Hafen durch eine Unterführung und mit goldgelben Farben in den Sonnenuntergang von Miami Beach. Palmen, exklusive Strandbars, schicke Autos und elektrische Musik. Und direkt dahinter vergammelte Fassaden, veranzte Balkone, abenteuerliche Kabelkonstruktionen, Müll und noch mal Müll.


„Das Hundekonzert fehlt mir hier ein wenig.“ merkte Karin an. Doch der Hahn blieb uns wenigstens treu. Und - na klar- die Baustellen. „Lass uns noch ganz da hoch fahren. Was sollen wir sonst hier den ganzen Tag machen.“ schlug Petra vor. Glücklicherweise hatten wir nur eine Nacht in Durrës gebucht und nutzten nun den Nachmittag zur Fahrt an den nördlichsten Zipfel Albaniens. „Aber hier auf Google Maps sah doch alles so schön aus.“ jammerte ich, als wir erneut kieselige Straßen mit ganz viel Schlaglochgefahr befuhren. Die Umgebung mäßig und so gar nichts touristisch attraktives erkennbar. 


Als wir schon umdrehen wollten winkte uns ein Mann, in seinem Kassenhäuschen in weiter Ferne herbei. 3€ pro Person um in ehemaliges, militärische Sperrgebiet zu gelangen. Und dann, nur wenige Meter später, eröffnete sich vor uns das wohl Schönste was wir in Albanien gesichtet hatten. Cape Rodon - ein Küstenabschnitt wie gemalt. „Woooow. Da hat sich die Fahrt hierhin doch tatsächlich gelohnt.“ Hinter unserem Rücken befanden sich noch die alten Bunkeranlagen, von denen einst die Küste Albaniens akribisch bewacht und vor Invasionen geschützt wurde. „Und auch ein Rauskommen verhindern sollte.“ fügte Karin an. „Warum haben die nur so viele von den Dingern gebaut? War das denn wirklich nötig?“ fragte ich in die Runde. Die Antwort sollten wir am folgenden Tag in Tirana erhalten.


BunkArt 1 war die zweite, große und von TripAdvisor empfohlene Ausstellung. Eine alte, riesige Bunkeranlage im Wald, am Rande der Hauptstadt. Wir stiegen hinab in die Katakomben und ein unvergleichlicher, konservierte Duft der 70er-Jahre Diktatur stieß uns stechend entgegen. „Puhh, das ist ja kaum zum Aushalten.“ In bedrückender, beängstigender Atmosphäre arbeiteten wir uns Raum für Raum durch die Geschichte Albaniens. Schon immer irgendwie besetzt, von den Osmanen, von den Griechen, Balkan-Krieg, dann kamen die Faschisten. Erst die Italiener, dann die Deutschen. Ein Land unter ständiger Unterdrückung. Dem setzte Enver Hoxha nach dem zweiten Weltkrieg ein vermeintliches Ende. Er ließ Zäune und Bunker gegen eine weitere Invasierung bauen und brach mit allen: dem Westen, mit Russland und schlussendlich mit China. Er riegelte alles ab, säuberte die Religionen und brainwashte die Gesellschaft mit Propaganda und den üblichen diktatorischen Mitteln. „Harter Tobak.“ „Kann man sich nicht vorstellen, dass man das heute wieder haben will.“ 


Wir verließen ernüchternd den Bunker. Albanien war kein einfaches Reiseland. Es tat weh, teilweise höchst unangenehm und dennoch freundlich, stets bemüht und immer wieder für Überraschungen zu haben.


Wir schleuderten unsere letzten Leken für eine Gondelfahrt in die Berge Tiranas heraus. Und dann nahmen wir noch mal das letzte (real) Escape Game in den Augenschein. Karin am Steuer und Petra die Karte, navigierten beide zielsicher durch das Labyrinth Tiranas, um unsere B&B Unterkunft zu erreichen. Durch das Verkehrschaos, entlang enger Gassen und hupender Karren und Mopeds. „Souverän.“ applaudierte ich. Und mir blieb dann der letzte Part. Während Karin einen Parkplatz suchte und Petra die Koffer am Rande einer stark befahrenen Straße bewachte, machte ich mich anhand der Hinweise auf die Suche nach unserer Unterkunft. Durch eine dunkle Unterführung, in einen verdreckten Hof, unter einer Baustelle die Treppen hinauf und an das „Amazon Basic“ Schloss. Hier gab ich die Codezahlen für den Schlüssel ein, der mir anschließend entgegen fiel. Im Hintergrund misstrauisch beäugt von den zwei Bauarbeitern. Mit dem Schlüssel in das dunkle Gebäude und die alten, verdreckten Treppen hinauf, zur Tür am Ende des Gangs. Dahinter ein Palast im Vergleich zum Rest der Umgebung. Geschafft!  


Albanien. Wird uns in Erinnerung bleiben. Werden wir noch drüber sprechen müssen. Besonders. Ziemlich speziell. Eins halt wie keins. 


Faleminderit Albania.




Aus „Tschick“


Seit ich klein war, hatte mein Vater mir beigebracht, dass die Welt schlecht ist. Die Welt ist schlecht, und der Mensch ist auch schlecht. Trau keinem, geh nicht mit Fremden und so weiter. Das hatten mir meine Eltern erzählt, das hatten mir meine Lehrer erzählt, und das Fernsehen erzählte es auch. Wenn man Nachrichten guckt: Der Mensch ist schlecht. Wenn man Spiegel TV guckt: Der Mensch ist schlecht. Und vielleicht stimmte das ja auch, und der Mensch war zu 99 Prozent schlecht. Aber das Seltsame war, dass Tschick und ich auf unserer Reise fast ausschließlich dem einen Prozent begegneten, das nicht schlecht war. 




















Hör mal wer da hämmert.

Um 2:30 Uhr bellten, jaulten und wilderten die Hunde-Gangs, um 4:30 Uhr krähten die Hähne und ab 7:00 Uhr wurde der Hammer geschwungen. Albanien befand sich in einem regelrechten Bauwahn. Da wurde ohne Rücksicht auf Verluste gemeißelt, geklopft, geziegelt, gemauert, gebohrt und verzementiert. Anstatt Schützenbunker nun Hotelbunker. Und wir direkt neben der Großbaustelle „Poseidon“. Vermutlich ein 2-Jahresprojekt von Gebäudekomplex.


War uns aber auch egal, denn unser Hauptfilter bei der Unterkunftsauswahl lag mittlerweile nur noch auf „Waschmaschine.“ Karin hatte uns mit ihrem Waschvirus infiziert und so nutzten wir jede erdenklich freie Minute um Wäsche zu waschen, aufzuhängen oder zusammenzulegen. „Sonst stinkst doch im Koffer.“ und Karin warf zugleich noch ihren Rucksack in die Wäschetrommel. Auch ein Leben aus dem Koffer soll hygienische geübt sein.


Mittlerweile waren wir in Vlora gestrandet. Das war mal ein echter Strandort. Palmen, Sand und Meer. Schon jetzt reihten sich gut besuchte Restaurants, Eisdielen, Hotels und Bars entlang der Promenade. Skateparks, Basketballcourts und Jahrmarktfeeling wie in Venice Beach. In der Hochsaison wahrscheinlich das Mallorca Albaniens. Sogar Souvenierläden und eine moderne Innenstadt mit einem sehr gepflegten Viertel „The Old Town“ hatte Vlora zu bieten. Der Einfluss, den die Fähre von Brindisi (Italien) mitbrachte, war unverkennbar. 


Karin, die noch am Morgen sprach, dass sie sich in Albanien auf gar keinen Fall etwas kaufen würde, gönnte sich wenige Stunden später ein neues T-Shirt. Und Petra erstand einen aufgepumpten Basketball, hatten es uns die vielen Basketballplätze angetan. Der sportlichste Tag des Trips versprach viel Muskelkater. Wandern, schwimmen, Basketball und am Abend Beachsoccer bis die Sonne unterging.


„Dann können wir morgen ja wieder getrost einige Stunden Auto fahren.“ „Ja prima, ich muss auch meinen Bildband ‚Albaniens schönste Baustellen‘ fortsetzen“ freute ich mich. Und Petra hoffte auf neue Fotomotive der Marke Benz. Das Automodell hatte sich hier, nach dem Ende des Sozialismusregimes, etabliert, war es das einzige Gefährt, das den verkommenen Straßen Albaniens standhielt. Die höchste Mercedes-Dichte weltweit, da ein Diktator lieber in Bunker, anstatt in Straßen investiert hatte und es Privatautos bis in die 90er erst gar nicht gab. Verrückte Geschichte, die Deutschland einmal mehr zu Gute kommt. Wir sind hier mehr also irgendwo sonst willkommen. „Where you‘re from?“ „Oh, Almania.“ und ein Lächeln huscht über das Gesicht der Einheimischen. 


Heute führt der Weg weiter nach Durrës. Sollte der Ort genauso verbunkert und mit Baustellen bestückt sein wie Sarandë, dann werden wir noch weiter nach Norden reisen. „Hat die Unterkunft in Lukova Waschmaschine?“ „Ok, check!“ 


Sehenswürdigkeit on the Road:

Küstenroute

Jalë - Kleiner Badeort, wie nach ein Unwetterkatastrophe. Aber irgendwie trotzdem schön.


Unterkunft:

El Mar - Familiy Suite Residence 


Restaurant:

Mustafa 

El Mar - Pizza & Fish


Bar:

Komiteti 

Olympia Bar
















Wie im Urlaub

Wir ließen Sarandë mit seinen 1.001 Betonklotzen hinter uns und eilten mit Vollspeed Richtung Griechenland. „Ciao Kakao!“ Es war jetzt nicht so, dass Sarandë komplett hässlich war. „Doch, eigentlich schon.“ unterbrach mich Karin in meinen Gedanken. Corfu rettete uns den Tag und wir flanierten 3 Stunden über die Insel und genossen den griechischen Flair, Souvlaki, griechischen Salat, den Blick auf saisonbereite, schwimmende Städte der Marke AIDA, den Euro-Umrechnungskurs und EU-Datenroaming. „Schön. Wunderschön.“ „Bleiben wir jetzt einfach hier?“ Hätten wir die Alman-Family, welche wir auf dem Weingut in Roshka kennengelernt hatten und die uns mit typischer, lautstarker Alman-Manier („Deuuuutschlaaand, Deutschlaaaand“) in Erinnerung geblieben war, jetzt nicht zum x-ten Mal während dieses Roadtrips getroffen, dann hätten wir sicherlich noch eine Übernachtungen auf Corfu gebucht. Doch die Wahrscheinlichkeit war viel zu hoch, dass wir im gleichen Hotel landen würden, mussten wir mittlerweile schon Wetten abschließen wann und wo wir die Großfamilie wieder antrafen. 


„Na dann auf, zurück nach Albania. Geben wir der Küste noch eine Chance.“ Wir wunderten uns erst gar nicht, dass das Boot nach Sarandë nur halb so voll besetzt war wie in Richtung Corfu. 


Wir wurden belohnt. Auf den Weg nach Himarë landeten wir auf einer der traumhaftesten Küstenrouten Europas. In der Spätnachmittagssonne befuhren wir serpentine, kurvige Wege, die uns dauerhaften Blick auf das Meer freigaben und mit echtem albanischen Roadtripfeeling belohnten. „Genauso hatte ich mir das vorgestellt.“ Immer wieder kreuzten uns Schaf,- Kuh oder Ziegenherden. Kleine Bergdörfer zierten unsere Weiterfahrt. Am frühen Abend erreichten wir den kleinen Urlaubsort „Himarë“. Der war jetzt auch nicht sonderlich schön, aber halt klein und fein und wie man sich eben so einen albanischen Ferienort vorstellt. 


„Und wo ist jetzt unser Hotel/Ferienwohnung?“ Seit geraumer Zeit suchten wir zunächst mit dem Auto, später dann zu Fuß den überschaubaren Ort nach der gebuchten Unterkunft ab. Das Bluetique Apartment war einfach nicht auffindbar. „Das gibt’s doch nicht, das muss doch genau hier sein.“ Mittlerweile hatten wir uns aufgeteilt und ich betrat einen kleinen Einkaufsmarkt, wo eigentlich das Apartment hätte sein sollen. Die Verkäuferin zückte sogleich hilfsbereit ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer an. Dann führte sie mich durch eine dunkle Gasse, in ein Wohnhaus und in einen ziemlich unvertrauenswürdigen Fahstuhl, der schon die besten Zeiten hinter sich zu haben schien. „I come with you. I live here in this house too.“ sprach die Verkäuferin und trotz alledem blieb das Gefühl, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte nicht aus. Wir fuhren in den 7. Stock. „Was hatte Karin da nur gebucht?“ und „Wo waren die anderen zwei überhaupt?“ Da öffnete sich die Fahrstuhltür und wir standen in einem unscheinbaren Flur. Ein Mann öffnete eine der vielen nummerierten Türen und begrüßte mich freundlich. Seine Frau sei noch auf dem Weg von Tirana und er müsse auf das Baby nebenan aufpassen. Damit überreichte er mir den Schlüssel und den Chip für den Fahrstuhl und überließ mir die Wohnung. „Ok, cool.“ Und ich war heilfroh, dass ich noch am leben war. 


Am nächsten Morgen erkundeten wir das überschaubare Himarë und seine viele Baustellen. Ein Land „Under Construction“. „Hier sieht’s wirklich aus wie nach dem Krieg.“ merkte Petra an. Aber eigentlich war hier ja gar kein Krieg. Über Komot fanden wir eine Wanderroute entlang der Küste und des Meeres zu einem anderen Strand. Der Trail war wunderschön, abenteuerlich und brachte immer wieder „Lost Places“ zum Vorschein. Auch der nächste Strand war fast wie ausgestorben. Petra und Karin wagten den Sprung ins kalte Meer, während ich den Blick auf die Wellen genoss. Sonnenschein, Wärme, das Rauschen des Meeres und der Wellen, Salzgeruch und frischer Wind. Der Strand so gut wie menschenleer. „Das ist Urlaub.“


Apartment:

Bluetique Apartments


Restaurants Himarë:

Restaurant Zotos 

Taverna Andreas Potam















Pioniergeister

Und du bist dir ganz sicher, dass wir hier noch richtig sind?“ fragte mich Karin als ich wieder ins Auto stieg. Zuvor hatte ich zwei größere Steine zur Seite geräumt, damit wir auf der holprigen, verkieselten Straße, überhaupt weiter kamen. Ein Auto hatten wir schon lange nicht mehr gesehen. Nur kreuzende Schafherden, Ziegen und Hühner. Der Weg glich mittlerweile einer fortgeschrittenen Mountainbikestrecke und auf GoogleMaps wurden uns 51 Minuten für 18 Kilometer angezeigt. „Der Ort heißt doch Benjë, oder? Und wir sollten vor Permët abbiegen.“ Da lenkte Petra ein „Also im Reiseführer stand, dass die Anfahrt total entspannt sein sollte und die thermalen Quellen einfach zu erreichen sind.“ Ein weiteres Schlagloch ließ uns erneut inne halten. „Kann es sein, dass es noch ein zweites Benjë gibt?“ fragte ich in die Runde, als wir alle hochkonzentriert das Kartenmaterial studierten. „So ist es, wir hätten doch durch Permët fahren müssen!“ „Ok Freunde, alles wieder zurück“ Dabei schien der Weg doch so logisch: Keinerlei Informationstafel oder jeglicher Hinweis auf eine touristische Attraktion. Als wir wieder Asphaltboden unter den Füßen hatten, lief der Weg wie von selbst. „Off-road-Tour Albania: Check.“ 


Die thermalen Quellen überzeugten, dank Nebensaison und kaum Touristen. Die Wanderung zum Canyon hatten wir dafür komplett unterschätzt. „Wir gehen aber jetzt den malerischen Rundweg zurück und nicht mehr dieselbe Route.“ freute sich Karin, als wir um 15:30 Uhr den Canyon erreichten. „Hast du dir die Route mal angesehen? Das sind 5 Stunden Fußweg.“ wies Petra auf der Karte aus. „Oh, dann wohl nicht.“ grinste Karin. Und wir waren am Ende froh, vor Sonnenuntergang wieder am Wanderparkplatz angekommen zu sein.  


Auf dem Rückweg nach Gjirokastër hielten wir in einem Lokal an, das locker 100 Gäste hätte bewirten können. „Wir befinden uns in der absoluten Nebensaison, oder?“ fragte ich misstrauisch, als wir uns einen der 100 Plätze frei auswählen konnten. Das Essen war zum ersten Mal überhaupt eher semi. Aber wir waren erschöpft und hungrig und dafür reichte es völlig aus. 


Das Nebensaison war fiel bisher nicht so sehr ins Gewicht. Erst als wir die albanische Riviera am nächsten Tag erreichten und in dem mehrfach empfohlenen Ort „Ksamil“ einfuhren, wurde uns erstmals klar wie so ein echter Geisterort aussieht. Wir waren aufs Blaue losgefahren und hatten noch keine Unterkunft gebucht. Wie gut das war bemerkten wir nicht nur in Ksamil, wo wir die Füße kurz ins Blaue Meer steckten und dann aufgrund von „Nichts“ weiterfuhren, sondern besonders in der nächst größeren Stadt „Saranda.“ 


Gerüchten zufolge hatte der albanische Diktator Enver Hoxha den feinen Sandstrand an die Griechen verkauft und im Gegenzug Kieselerde erhalten, um sein exorbitantes Bunkerprojekt ausbauen zu können. - Passage in einem Reiseblog


„Wo ist denn hier der Strand?“ fragte ich ungläubig. „Der kommt bestimmt noch.“ blieb Karin optimistisch. „Wir gehen mal hier drüben weiter, da habe ich noch ein paar Hotels entdeckt.“ Wir kletterte über Baustellen, wichen frische Zementfeldern aus, vorbei an zerfallen Fassaden und suchten vergebens zugängliche Hotel, von denen es doch eigentlich tausendfach hier in Saranda gab. „5 Jahre. Ich geb denen noch 5 Jahre bis der Tourismus hier läuft.“ „Eher 15.“ Die bis dato noch optimistische Karin, hatte nun auch resigniert. „Ich frage mich was ich eigentlich von diesem Roadtrip erwartet hatte.“ merkte Petra an. Und wir lachten. „Ist doch schön, dass wir die ersten sein können, die miterleben werden, wie der Tourismus in Albanien losging. „Die brauchen auf jeden Fall noch Strand. Das sind doch viel zu viele Hotels für das bisschen Promenade.“ „Vielleicht wirds ja weiter nördlich attraktiver.“ munterte Petra noch mal auf. Zumindest fehlte es uns nicht an Humor.  


„Ihr könnt hier nicht durch.“ gestikulierte der uniformierte Mann mit strengem Blick durch unsere Windschutzscheibe und deutete auf das Abschleppschild. „Ach nicht? Aber wir müssen doch zu unserem Hotel.“ gab sich Karin touristisch naiv und setzte eine traurige Miene auf. „No, no, no. It‘s closed.“ „Das ist ja schade. Und wie kommen wir dann zum Hotel?“ Karin und ich zeigten dem Polizisten abwechselnd unsere Handys und die geplante Route. Viel zu spät hatten wir die Unterkunft gebucht, das merkten wir jetzt auch selbst. Aber wir wusste ja auch nicht wohin. Der Officer wiederum schien zutiefst genervt und geladen. Endlich kehrte Petra zurück, die das Hotel an der Strandpromenade zu Fuß ausfindig gemacht und den Schlüssel für die Wohnung schon mal geholt hatte. Die dritte Frau im Bunde gab dem Polizisten nun endgültig den Rest. „You need to call the hotel.“ „Aber wir haben doch keine SIM-Karte. No telephone.“ lächelte ihm Karin zu. „Get a Wifi code!“ und er zeigte zur nächsten Bar. Nach weiteren Diskussionen und einem WhatsApp Call fuhr er endlich resigniert und genervt die Schranken herunter und schickte uns mit „Piano, Piano. Bambinis. Watch out Bambinis on the street.“ auf die Fußgängerzone, die wir am Mittag noch problemlos befahren hatten. „Geht doch.“ 


„Und was machen wir morgen hier in dem wundervollen Ort Saranda?“ „Wir buchen die Fähre nach Korfu.“ Und unsere Augen leuchteten wieder. 


Sehenswürdigkeiten:

Benjë / Thermalbad und Canyon

Blue Eye














Stein auf Stein

Mit ‚Loose Yourself’ rollten wir wie Gangster durch Fier. Eine gespenstige Durchgangsstadt, die uns nach Gjirokastër führen sollte und für viel mehr auch nicht warb. „Also die Gegend Albaniens ist touristisch ausbaufähig.“ stellte Karin fest, als wir veranzte, alte Plattenbauten, viel Staub und wenig ansehnliches erblickten. „Zumindest hier im Süden. Vielleicht wird es an der Küste attraktiver.“ sprach Petra hoffnungsvoll. „Es wirkt alles irgendwie so unaufgeräumt.“ fügte ich hinzu und unsere Blicke schweiften an Müll-gesäumten Flüssen, verlassenen, unfertigen Betonbauten im Nirgendwo und stinkenden Erdölförderungsanlagen vorbei. „Albanien scheint wie ein einziger, großer Lost Place.“ Die herumhängenden, abgenutzten Kuscheltiere an vielen Häusern und in den Fenstern, unterstrichen die Gesamtsituation noch mal. „Wie bei Friedhof der Kuscheltiere.“ beäugte Karin misstrauisch. „Dient aber zum Schutz vor bösen Blicken“, ergoogelte ich auf die Schnelle. Die vielen, bunten Wellensittichkäfige gaben dem Ganzen  wenigstens noch einen Farbkleks. 


Gjirokastër wirkte auf den ersten Blick nicht viel besser. Zunächst große Ernüchterung. „Was ist denn hieran Weltkulturerbe?“ fragte ich leicht enttäuscht in die Runde. Ein zweiter Blick ist, wie so oft, auch hier von Nöten. Von unserer Unterkunft, die so wie es schien, gerade neu renoviert worden war und noch nach frischem Zement roch, kletterten wir die 1.001 flachen Steintreppen hinauf in den älteren Teil der Stadt. Und je höher wir stiegen, desto mehr wandelte sich das Gesamtbild. Eine Stadt aus reinstem Stein. Schnaufend erkundeten wir die osmanische Vergangenheit weiter, bis uns der Weg hinaus aus der Stadt und in die Berglandschaft Gjirokastërs zur Al-Pasha Brücke führte. Einem Überbleibsel eines Aquädukts, das einst die mächtige Burg mit Wasser versorgte. „Hier ist es schön.“ strahlten wir nun endlich alle. 


Auf dem Rückweg lächelten uns die Einwohner freundlich zu und empfingen uns herzlich in ihrer einzigartigen, silbernen Stadt. Aus alten, ausgestanzten Blechbesteckschablonen, die hier einst produziert und dann als Abfall liegen gelassen wurden, hatten sich die Anwohner zumeist Zäune, Gartentüren und Geländer gebastelt. Einfach das beste aus dem gemacht was hier vorzufinden war und sich aufs Wesentliche konzentriert: Leben und Überleben. 


Unterkunft:

Jani Studio Apartment


Essen / Trinken/

Kardashi - Traditional Albanian Food

Duca caffee (unterhalb der Unterkunft)












Slowly is the fastest way to get to where you want be

Der Reiseführer hatte uns vorgewarnt: im Kreisverkehr gilt steht das Recht des Stärkeren. Und: touristische Informationstafeln sind zwar schön bunt, aber diese zumeist nutzlos. Außerdem scheint das Personal häufig überfordert. Grund genug für uns das Gegenteil zu beweisen.


„Speed doesn‘t matter. Forward is forward.“ durchkreuzte ein Zitat meine Gedanken, als die Straßenschilder zwischen 60, 40 und 20 km/h wechselten. Albaniens Straßen entpuppten sich als Paradies für Langsamfahrer, wobei selbst mir die Tempoangaben etwas zu reduziert und willkürlich erschienen. Die Lizenz zum Fahren hatten wir bei mir, aus Kostengründen, aber eh eingespart. Autoliebhaberin Petra machte sich mit dem schicken Gefährt, einem Ford MG, zugleich vertraut und navigierte, mithilfe unserer Orientierungsqueen Karin, sicher und souverän aus Tirana heraus und Richtung Berat. 


Alte, verrostete Erdölförderungsanlagen, eine Weite wie auf amerikanischen Highways, Coca Cola Werbung, Esel, ein NATO-Luftwaffenstützpunkt und Fahrräder ohne E-Antrieb, zierten unsere Weiterfahrt.


„Kreisverkehr können die hier echt nicht so gut. Aber wir haben ja glücklicherweise das höher gebaute Auto.“ lächelte Petra, als uns immer wieder defensiv zu Weiterfahrt durchgewunken wurde. Bis nach Berat schafften wir es uns mit analogem Kartenmaterial durchzuschlagen. „Cool, Fahren wie in den 90ern.“ grinste Karin, höchst erfreut über ihre wiedergewonnenen Fähigkeiten aus Jugendtagen. Zum, in den Bergen gelegenen, Weingut und unserer Unterkunft „Alpeta Agroturism“, mussten wir jedoch den Digitaljoker ziehen. „Dann war ich wenigstens auch zu was nützlich.“ freute ich mich auf der Rückbank, als ich das 40 MB Google-Offline-Kartenmaterial beisteuern konnte. 


Über serpentine, hügelige Straßen gelangten wir zu unserer Unterkunft in einem kleinen Bergdorf. Ein Winzer-Familienbetrieb, liebevoll eingerichtet, leckerer Wein und viel zu starker Rhaki, Holzoptik und traditionelles, albanischen Essen. Im Hintergrund ein türkisfarbener See und zur anderen Seite, der schneebedeckte Berg „Tomorr“ mit 2.400 Meter. Ich konnte mir kaum eine bessere Location zum Reinfeiern vorstellen. Die Mädels überraschten mich mit Luftballons, Girlanden, einem Geburtstagskuchen, Blumen und einer, vom Küchenpersonal liebevoll gestalteten, Geburtstagstorte am nächsten Morgen. I was a lucky Mushroom again :).


Auch wenn der 26. einer eher trister und graubehangener Tag war, blieb es zumindest trocken und wir konnten Berat erkunden. Die Stadt der 1001 Fenster, schien aber noch genauso verschlafen wie wir. Teilweise gespenstig ruhig. „Wie nach Stunde 0.“ merkte Petra an. Eine Mischung aus osmanischen Reich und ein paar verbleibenden Erinnerungen des Sozialismus strömten uns entgegen. „Gehen wir jetzt mal da hoch auf den Berg?“ fragte ich mit Kopfschmerzen. „Unglücklicherweise ja, wir machen ja heute alles was du möchtest.“ merkte Karin an, als sie den steilen Weg erspähte, am Ende aber doch als erstes auf der Aussichtsplattform ankam. Ob es an dem Rosmarin-Zweig lag, der Flügel verleihte oder doch eher an dem alkoholiserten, sehr aufdringlichen, unangenehmen und lautem Wärter, den wir auf halber Strecke an der Michaelskirche antrafen und von dem wir uns schnellst möglich entfernten, blieb fraglich. 


Der Ausblick war jeden Höhenmeter wert und die alte Burgruine beeindruckte ebenfalls. „Ich muss schon wieder aufs Klo.“ jammerte ich unterdessen halbstündlich. Das neu gewonnene Lebensjahr brachte gleich erste Nebenwirkungen mit sich. „Freu dich schon mal auf unser Alter.“ spoilerte Karin grinsend. Wenigstens ließen die Kopfschmerzen langsam nach. Ob die vom Wein kamen oder doch eher von den 5 Hähnen, die morgens um halb fünf das Bergdorf zusammengeschriehen hatten? Ich tippte definitiv auf letzteres. Um den Beweis zu erbringen, buchten wir am Abend noch das Weintasting auf unserem Weingut. Herzhafter Ziegen- und Schafskäse, vorzügliche Feigen, dazu Walnüsse, Oliven, Äpfel und Orangen rundeten das Erlebnis ab. 


„Was ist eigentlich aus Jogi Löw geworden?“ fragte mich Karin besorgt, als wir das neue Fußballwunder Deutschland im TV betrachteten. „Keine Ahnung, dem wird es schon gut gehen. Außerdem läufts doch jetzt mit dem Nagelsmann.“ „Dem geht’s bestimmt nicht gut.“ merkte Karin noch mal mitfühlend an. Währenddessen fiel das 2:1 durch „Fülle“ und alle sprangen freudig auf. Fußball verbindet und Albaner mögen Deutschland. Besonders Matthäus, Ballack, Reus und Löw. Dann fing es an zu blitzen und zu donnern. In den Bergen höchstspektakulär. Starkregen und Sturm die ganze Nacht. 


Der Hahn krähte am nächsten Morgen nicht ganz so arg und die Sonne kam wieder raus. Geht doch. Ein guter Tag zum Weiterfahren. Auf nach  Gjirokaster - Stadt der 1.000 Treppen.


Unterkunft/Essen/Getränke:

Alpeta Agroturism















Fliegenpilze und Pyramiden


„Wofür könnte das hier denn mal gebaut worden sein?“ „Vielleicht ist das so eine Art Lost Place?“ „Ja, sieht aus wie so ein riesiges Einkaufszentrum, das nie in Betrieb genommen wurde.“ Wir rätselten noch eine Weile für was der mächtige, pyramidenförmige, weiße Betonklotz wohl gut gewesen sein könnte, den man wie einen alten Mayatempel über weiße Marmortreppen erklimmen und als Aussichtsplattform im Herzen Tiranas nutzen konnte. „Das müssen wir später googlen.“ klang so jeder ca. zweiter Satz, den jeder von sich gab und machte uns zum einen klar, wie internetabhängig wir allesamt ohne mobile Daten waren und zum anderen wie schlecht wir uns vorab über die Geschichte Albaniens informiert hatten. 


Mit großen Augen lassen wir uns in jedem internetfähigen Café tiefer in die Historie Albaniens ein, von der wir tatsächlich keinen blassen Schimmer hatten. „Krass, dieser Enver Hoxha war ja so ein richtig schlimmer Diktator. Hier herrschten ja Zustände wie in Nordkorea bis 1990.“ Dies erklärte auch warum das Land lange touristisch so unerschlossen war. „Die haben einfach keinen reingelassen und sich komplett isoliert.“ Eigentlich hatte ich nur nach „Fliegenpilze Albanien“ gegoogelt, da die hier auch überall rumstanden und wir jeden Morgen über unsere Fliegenpilz-Brücke in die City marschierten, da wurde uns klar, dass der Pilz die Form eines Bunkers verkörperte. Und Bunker gab es hier einige. „Dieser verrückte Hoxha hat über 150.000 Bunker im ganzen Land bauen lassen. Aus Angst vor einer Invasion von außen.“ informierte Petra. „Und dann hat er sich zum Schluss diese monströse Pyramide errichten lassen. Quasi wie so‘n Pharao-Denkmal.“ lies ich ungläubig. „Ja, aber so langsam wächst Gras über den Kommunismus.“ lächelte Karin, die immer wieder DDR-Flashbacks in Tirana entdeckte. „Die Pryamide wird heute als Disco, Nato-Büro, bzw. demnächst als Lernbildungsstätte genutzt.“ 


Neben der verstörenden, diktatorischen Geschichte Albaniens, entdeckten wir aber im Hier und Jetzt eine offene und lebendige Gesellschaft. Freiheit schien man hier zu schätzen. Bunte Cafés, schicke Bars und Restaurants, viel Klimbim, fast ausschließlich deutsche Markenautos und daneben rein elektrobetriebene Taxen. Nur die Nebengassen gaben Aufschluss über die noch ärmlichen Verhältnisse in diesem Land. „Bin gespannt was uns in den ländlicheren Ortschaften erwartet.“ Während Karin und ich uns noch eine Fußpflege beim Spa auf der Nähe gönnten, buchte Petra unser Fortbewegungsmittel für die nächsten 2 Wochen. „Ein schicker Ford Focus oder so ähnlich soll es werden.“ „Ob Panda oder Focus - ist doch egal.“ „Hauptsache wir kommen irgendwie mit dem analogen Straßenkartenmaterial in Berat an.“ 


Stadt der tausend Fenster und UNESCO Weltkulturerbe. 101 Kilometer Richtung Süden und in die Vergangenheit des osmanischen Reiches. Berat, here we come! 



// Tipps für Tirana:


Unterkunft:

Choose Balkans / Retreat Apartments


Bars / Bistros / Raustaurants:

Coko Bistro & Bar (Frühstück)

Era Restaurant

Radio Bar

Library Bar

Komiteti (Frühstück)

Artigiano Restaurant 

Juna Café 

The Goat (albanisches Frühstück und Bar)


Anschauen:

Pyramide

Parks

Bunk‘Art 2

Skandeberg Plaza

Markt

Fußballstadion

Moschee und orthodoxes Kirchen

„Haus der Blätter“ (Museum über albanische Stasi)

Lana River